Wie lernt das Kind sehen

Sehbahnen
Sehbahnen

Im Mutterleib hat der Embryo kaum die Möglichkeit Sehen zu schulen. Daher ist der Sehsinn der Sinn, der bei der Geburt am wenigsten entwickelt ist. Das Neugeborene sieht unscharf und am besten im Stillabstand, das sind 30 bis 40 cm Abstand. Es hat noch Doppelbilder. Die Merkmale eines Gesichtes kann es erkennen. Das ist für das Überleben eines Neugeborenen wichtig. Das Stillen oder Füttern hilft dem Kleinen mit den Augen in der Mittellinie zu fixieren. So lernt es dann mit 3 Monaten, wenn sich die Grundreflexe abbauen, Gegenstände willkürlich in der Mittellinie zu greifen und diese zum Mund zu führen. Alles was das Kind lernt wird in somatischen Körperkarten gespeichert. Im Gehirn gibt es große Areale, wo all die Informationen, die aus dem Körper kommen gespeichert werden. Diese Areale liegen im Gehirn um das motorischen Feld herum und sind die Grundlage, auf der Willkürmotorik basiert. Auch das Sehen hat im Bereich des Hinterkopfes seine Areale, wo die ganz verschiedenen Funktionen des Sehens gespeichert werden.

Im Bereich des Stammhirns liegt die 4 Hügelplatte. Die oberen Hügel steuern das Sehen, die unteren das Hören. Die Kopfgelenke sind ein Sinnesorgan. Die Informationen aus dem gesamten Körperbereich, dem Sehen und dem Hören müssen hier koordiniert werden, damit wir eine räumliche Wahrnehmung entwickeln.

Das räumliche Sehen entwickelt sich erst, wenn das Kind sich selbst fortbewegt. Es muss mit dem Körper den Raum erfahren, damit das Sehen dreidimensional wird. Das ist etwa mit 9 Monaten.

Bereits in den Grundreflexen wie der symmetrisch tonische Nackenreflex und der asymmetrisch tonische Nackenreflex sind die Muster, auf denen später unsere komplizierte Motorik aufbaut, enthalten. Am Anfang geht das Kind in Streckung wenn der Kopf in Streckung geht und umgekehrt. Das ist kein erhöhter Tonus und lässt sich beheben, wenn der Körper des Kleinen wieder in eine Beugung gebracht wird.

Ab dem 3. Lebensmonat circa beginnt die Willkürmotorik. Ein Bewegungsstein baut auf den anderen auf und es bilden sich immer mehr und kompliziertere Bewegungsmuster, wie Drehen, Robben, Krabbeln usw. Die großen Muskelketten, die uns steuern sind in diesen Mustern angelegt. Diese Ketten verlaufen diagonal und kreuzen von vorne nach hinten und umgekehrt. Sie reichen vom Kopf bis in die Arme und Beine. Einige der Muskelketten entsprechen den Meridianverläufen der chinesischen Medizin.

Das Kleinhirn lernt in der Kindheit am meisten und wird hier geprägt. Ähnlich wie beim Thymus stellt das Kleinhirn das Lernen nach der Pubertät weitestgehend ein. Daher muss das Kind sich bewegen, damit es hier einen großen Erfahrungsschatz sammelt, auf dem es im Erwachsenenalter zurückgreifen kann. Heute kann dies in fMRT Aufnahmen sichtbar gemacht werden. Unser Gehirn funktioniert in Schleifen. Verschiedene Areale arbeiten für bestimmte Funktionen zusammen. Hier wird dann auch immer das Kleinhirn angefragt. Bis zum 7. Lebensjahr muss das Kind seine Motorik stabil aufbauen für die höheren Funktionen, die in der Schule und später folgen werden.

Beim Sehen werden 2 Systeme unterschieden, das Sehen von Licht und die Koordination der Augenbeweglichkeit (Optometrie). Die motorische Koordination der Augen ist mit der gesamten Körpermotorik verbunden. Wenn ein Auge weniger beweglich ist, dann hat dies für die gesamte Haltung Konsequenzen. Dies kann man besonders gut beobachten, bei Menschen, die nur ein Auge haben. Dies hat für die räumliche Orientierung Konsequenzen, aber auch für Lesen, Rechnen und Schreiben.

Wenn wir etwas vergessen haben, schließen wir die Augen und blicken nach oben. Erinnerungen sind teilweise an Augenbewegungen gebunden. Dies nutzt man z.B. im Brain Gym um Stress beim Lernen abzubauen, indem man das Lernende an eine Augenbewegung ankert.

Aus dem Sprachgebrauch kennen wir aber auch noch weitere Formulierungen wie weitsichtig im Sinn von umsichtig, wenn wir das gesamte Spektrum (180 Grad) des Sehens nutzen.

Zeigt ein Baby eine Schädelasymmetrie auf, sollte diese unbedingt korrigiert werden. Wenn sich die Körperketten asymmetrisch entwickeln hat dies auf unsere wahrnehmende Sinne wie Sehen und Hören auch eine Auswirkung. Selbst wenn sich beim Baby die Asymmetrie ausgleicht muss diese im Laufe der Entwicklung kontrolliert werden. Bei Entwicklungsschüben können alte Muster wieder auftauchen. Wenn im Bereich der hinteren Schädelnähte , wo die Sehzentren liegen, Spannungen bestehen, kann dies zu Schielen führen.

Wenn der Zahnwechsel beginnt, muss sich der Oberkiefer weiten, damit er für die bleibenden Zähne genügend Platz bietet. Das Mittelgesicht wächst bis zum Ende der Zahnung noch einmal um ein Drittel. Wenn sich hier eine Seite des Schädels weniger nach seitlich entwickelt, ist dies für den Kieferorthopäden ein Kreuzbiss. Die Höcker der Backenzähne treffen nicht außen auf die der unteren Backenzähne. Auf der Seite des Kreuzbisses ist auch das Auge betroffen und meist weniger mobil.

Während der Pubertät entwickelt sich vor allem der Stirnhirnbereich, wo unser soziales Bewusstsein verankert ist. Dies entwickelt sich stark über die Dopaminschaltungen. Am Ende steht die Reifung dieses Bereiches, der uns dann erwachsen macht. Häufig bestehen in der Pubertät hier auch Spannungen im Augenbereich, was uns dann „engstirnig“ macht. Eine Entspannung hier tut auch dem Jugendlichen gut um wieder umsichtiger zu werden.